1953 in Zams geboren ist Roland Peintner in Landeck aufgewachsen und lebt seit 1980 in Ried im Oberinntal.
Notizen zu RPs Fotokunst
Fotografieren heißt für Roland Peintner nicht Abbilden, sondern Gestalten. Motivwahl, Inszenierung des Motivs und seine Bearbeitung sind dabei nur äußerst grobe Begriffe für einen überaus komplexen Prozess. Dieser gilt der Suche nach dem Bild im Bild, nach der möglichst präzisen Formulierung e i n e r Möglichkeit des Sehens. „Präzise“ meint hier eine größtmögliche Annäherung des „Objektes“ an das innere, noch gestaltlose „Bild“ von ihm; oder: ein überaus waches, sorgfältiges Aufeinander – Zu von Wahrnehmen und Gestaltungsimpulsen hin zu einem Punkt, an dem eine Art Koinzidenz zwischen „bloß“ empfundener „Vorstellung“ und „Gegenstand“ erreicht ist. Hoher technischer Anspruch sowie sensibles ästhetisches Empfinden verhindern vorschnelle Ergebnisse.
„… mit dir reden“ benennt er das sein Arbeiten bestimmende Movens. Es weist auf In-Beziehung-Sein und dialogischen Austausch hin; es deutet das Ineinander von Geben und Empfangen an, von Eigenem und Geschenktem. Das verweist auf ein künstlerisches Selbstverständnis, das sich der Interdependenz schöpferischen Arbeitens bewusst ist und so auf die Fiktion von der Autonomie des Künstlers verzichten kann. Was er dadurch gewinnt, ist nicht wenig; ist nicht weniger als „eine“ Welt, die sich entfaltet wie rätselhafte Wunderblüten. Sie erschließt sich ihm in zartesten Brechungen, transparenten und durchlässigen Schichten, in Transformationen und in einem Universum an Tönen zwischen Schwarz und Weiß; sie dämmert unspektakulär auf in einer atemberaubenden Vielfalt an Farbnuancen innerhalb eines stark reduzierten Spektrums. Grün-, Braun- und Rottöne werden überwiegend im Zwielicht sichtbar – im Moment des Übergangs aus dem Dunkel in das Tag-Werden oder der Dämmerung in die einsickernde Nacht.
„…mit dir reden“: das verweist auf Räume, die sich daraus ergeben; auf Überlagerungen und den Tanz von Bedeutungen, auf Herkommen aus (scheinbar) Vergangenem, auf das Ineinander-Gleiten von Gesagtem, Gehörtem, Empfundenem und an Assoziationen Freigesetztem; auf an Wünschen Auftauchendes, an Sehnen Wachgerufenes und auf an – noch kaum erahnten Wirklichkeiten – Bild-los Imaginiertes.
Somit wird deutlich: nicht die glatte, klar definierte Oberfläche interessiert RP, sondern das Dazwischen, das Darunter, das gleitend sich Über-und Ineinander-„Schiebende“ und voneinander Lösende. Das lässt ahnen, was im Dialog geschieht; im Dialog von und mit Personen innerhalb und außerhalb seiner Bildwelten sowie im Prozess des Bildwerdens als Bewegung zwischen geplantem Gestalten und Sich-Ergebendem, Einwänden, Zu-fällen und Entdeckungen.
Diese Spannung zwischen sorgfältig inszenierten Tableaus und Offenheit für das auf ihn Zu-Kommende; zwischen Zielstrebigkeit und eminenter Wachsamkeit für Verschiebungen und Brechungen ist charakteristisch für RPs Fotokunst. Es ist ein intensives „Gespräch“ ohne Worte innerhalb des ZeitRaums des Gestaltens; ein „Gespräch“, das eins ist mit dem Zugehen auf das „gesuchte“ Bild.
Formale Entsprechungen für dieses Changieren zwischen Vorsatz und Tasten zeigen sich im Verweben von Photographischem und Malerischem, von klarem Bildaufbau und dessen subtilem In-Frage-Stellen; zeigen sich im Wechsel von scharfen Konturen und deren Auflösung; im „Gegenüber“ von Kontrasten und deren Relativierung durch rätselhaft verschlüsselte „Inschriften“. Das „was ist“, ist oft nicht das, was es scheint. Der Ernst kann kippen, wird mitunter zum schelmischen Spiel mit geweckten Erwartungen, um schließlich als unlösbare Frage zwischen beidem zu pendeln. Die Böden in einer Bildserie von RP sind wie atmosphärischer Hauch. Sie vervielfältigen sich in die Tiefe des Bildraums hinein und deuten eher das Bodenlose an, denn das Stabilität und Halt Gebende. Manche Still-Leben sind wie Emanationen aus dem Weiß des Bildgrunds, wie Geatmetes eines Vorgangs außerhalb der Zeit. Personen traumwandeln umschlossen von einem gerade noch erkennbaren Film elastischer Membranen durch werdende, sich öffnende und schließende Räume. Das wiederkehrende Motiv des Tanzes reflektiert dieses Sich-Bewegen und setzt dem ins Schweben Entgleitenden des Bildes strenge Komposition, Konturen und ans Bizarre grenzende Dynamik entgegen. Dem verträumt Rätselhaften gesellen sich nun Momente des Ekstatischen hinzu, sei es der Tanzenden, sei es des Lichts, das eine schöne, doch fast schon vergessene Metapher für das Medium Film – das Lichtspiel – wieder in Erinnerung ruft, das sich in der Bildmitte zu magisch glühenden Momenten verdichtet.
Dass sich, bezogen auf die genannten Beobachtungen, auch Auseinandersetzungen mit Fragen nach Identität in RPs Arbeiten wiederfinden, ist naheliegend. Spannend ist es zu sehen, dass Identität darin nicht als Grenzen markierendes Sich-selbst-Verstehen „definiert“ ist, sondern als Sein im Austausch, im Prozess, im „Spiel“ von Sich-Finden und Sich-Lassen. Bedroht wird Identität jedoch von dem, was noch heute vielfach darunter verstanden wird: von der dogmatisch starren Selbst-Zuschreibung von Eigenschaften und von – meist Interesse-geleitetem – historisch Verbindendem, welches das Lebendige in uns erstickt und die Identitäts-Träger zu leblosen Puppen deformiert.
RP spricht von „wunderbaren Glücksgefühlen“, wenn ihm „schlussendlich wieder ein Bild gelungen ist“. Wer ihn kennt und weiß, mit welch hohem Anspruch er sich auf seine Bildwelten zubewegt, ahnt: Von seinen Expeditionen – sorgfältig geplant, akribisch durchgeführt und immer offen für das Nicht-Planbare – dürfen wir noch viel erwarten.
Peter Peintner am 14.06.2015